Sachsenweg, 150
Zuschauer
Wenn ich jetzt ein braver Fan wäre,
würde ich mir dieses Spiel schön reden. Bin ich aber nicht, deshalb
wird das hier eine Wutschrift. Wer am Sonntag in meiner Nähe stand,
der dürfte einiges davon schon gehört haben. Für alle anderen: Ich
war selten so angepisst nach einem Fußballspiel!
Spiele gegen Niendorf zählen bei Vicky
traditionell schon nicht zu den Highlights des Jahres. Das liegt zum
einen an der absolut unattraktiven Anlage, auf der man die Spieler
aus der Entfernung höchstens als Ameisen wahrnimmt. Zum anderen hab
ich auf der Anlage auch noch nie ein gutes Spiel von Vicky gesehen.
Warum auch immer, denn Niendorf gehört nun wahrlich nicht zu den
Teams, die den Fußball zelebrieren. Spiele am Sachsenweg sind immer
ein Krampf, das sollte dieses Jahr seinen – vorerst – negativen
Höhepunkt finden.
Meine Laune war schon auf der Anreise
nicht die beste: Menschen, die am Sonntag mit Sack, Pack, Fahrrad und
Hund Weltreisen unternehmen gehören schon in die Kategorie „Könnt
ihr nicht zuhause bleiben?!“ Hinzu kam die Schikane, die sich der
HVV in Niendorf selbst ausgedacht hatte: Die eigentliche
Bushaltestelle konnte aus dubiosen Gründen nicht angefahren werden,
stattdessen wurde man irgendwo im Wohngebiet ausgesetzt. Wir waren
nicht die einzigen Victorianer, die fortan durch die Gegend irrten
auf der Suche nach einem Fußballplatz. Das Smartphone, das just an
diesem Tag die Himmelsrichtungen nicht auf die Kette bekam, tat sein
Übriges dazu bei, dass die Laune beim Erreichen des Platzes zum
Anpfiff bereits unterirdisch war.
Das Spiel konnte das dann tatsächlich
nicht mehr unterbieten. Wenn ich Eintritt zahlen müsste, ich wäre
nach dem Spiel zu unseren Spielern und hätte sie um Rückgabe
desselben gebeten. Ich weiß nicht, was dieser Hühnerhaufen da auf
dem Platz veranstaltet hat, mit Fußball hatte das zumindest
weitgehend nichts zu tun. Im ganzen Spiel schoss der SCV zwei Mal in
Richtung gegnerisches Tor – tatsächlich gingen beide Schüsse
rein. „Gnadenlos effektiv“ mag man das nennen, „fürchterlich
unattraktiv“ trifft es aber auch. Ansonsten war das ein wildes
Gebolze auf dem schlechten Rasen, meist irgendwo um die Mittellinie
rum. Passenderweise kassierte Sepher Nikroo auch auf Höhe
derselbigen seine rote Karte in der zweiten Hälfte.
Niendorf hatte insgesamt ein paar
Torchancen mehr, allerdings hab ich auch selten so viele Fehlschüsse
gesehen. An unserer guten Abwehr lag es jedenfalls nicht, dass es bis
zur 62. Minute dauerte, bis einer der Schüsse drin war. Zur
Ehrenrettung der Blau-Gelben muss man sagen, das es ein Elfmeter war,
den Niendorf dafür benötigte – da half auch das Rumgeschreie des
Co-Trainers (?) nicht, der quasi mit Anpfiff eine Schallplatte
auflegte, die ihresgleichen suchte. Man hätte meinen können, sein
Team lag nach drei Minuten mit 0:8 hinten (schön wäre es gewesen),
wo ich mir auch die Frage stelle, wie man das ertragen kann? Tinnitus
nach dem Training inklusive...
Zur Pause stand es zumindest noch 0:0
und wir wechselten zur Fressbude, die zu aller Enttäuschung aber
nicht mal was vom Grill bieten konnte. Während einige in die warme
Halle nebenan flüchteten, machte ich mir Gedanken, wie ich
schnellstens wieder nach Hause komme, aber da ich noch jemanden auf
meinem Ticket dabei hatte, konnte ich mich leider nicht absetzen.
Also hieß es weiter das Gebolze ertragen, kurz darauf auch noch mit
einem Mann weniger und einem Rückstand für das eigene Team.
Um es kurz zu machen und zumindest noch
minimal auf das Endergebnis einzugehen: Das erste Tor verpasste ich,
da ich mich auf die warme Toilette geflüchtet hatte. Torschütze war
der eingewechselte Tarek Abdalla. Und zum Schluss durfte Marius
Ebbers auch noch mal ran und erzielte mit der letzten Aktion des
Spiels das 2:1 für Vicky. Selten so unverdient errungene drei Punkte
gesehen! Wenn es nicht Niendorf wäre, täte mir der Gegner fast
schon leid.
Alle anderen Victorianer zeigten sich
jedenfalls mit der Partie versöhnt, allerdings ist da bei mir schon
ein bisschen mehr nötig. Mit Grauen dachte ich bereits am Sonntag an
die heutige Partie gegen Rugenbergen. Aber wenn es da wieder nicht
läuft, hab ich immerhin die beste Entschuldigung zur Flucht
überhaupt: Mitgliederversammlung ist ja auch wichtiger...