Partizan-Minsk-Tour 2013
An einem milden Sonntag
im März des letzten Jahres wurde nicht nur ein lang ersehnter
Derbysieg gegen Altona 93 eingefahren, sondern auch der Grundstein
für die aktive Beteiligung unseres SCV an der Partizan-Minsk-Tour
2013 gelegt. Damals sammelten wir gemeinsam mit der Fanszene von
Altona Spenden für das Überleben eines außergewöhnlichen
weißrussischen Fußballvereins: Partizan Minsk. Bis 2010 hieß der
Verein noch MTZ-Ripo und kickte in der ersten weißrussischen Liga,
bevor er vom Besitzer Romanov in Partizan umbenannt wurde. Dieser zog
sich sich 2011 aus dem Club zurück, womit der Verein finanziell
zusammenbrach und er Ende 2011 vor dem Aus stand. 2012 wurde er von
den eigenen Fans als selbstverwalteter Verein neu gegründet und
spielt seitdem in der 4. weißrussischen Liga. Dieser Schritt konnte
allerdings erst mit Hilfe internationaler Soli-Aktionen vollzogen
werden, da auch in Minsk das Geld nicht auf Bäumen wächst und mit
einer Vereinsgründung ein hoher organisatorischer und finanzieller
Aufwand verbunden ist.
Die breite Welle an
Solidaritäts-Aktionen beruht auf einer Besonderheit der Anhänger
des Vereins: Sie zeigen aktives antirassistisches Engagement und
leben eine antifaschistische Fankultur. In der oft zitierten letzten
Diktatur Europas eine absolute Herausforderung.
So kam es, dass die Idee
geboren wurde, diesen Club und seine Fans mal nach Deutschland zu
holen und uns so im Rahmen mehrerer Spiele die Möglichkeit eines
gemeinsamen Austausches zu geben. Es wurden wurden alle
Szenen/Gruppen angefragt, die sich an Soli-Aktionen beteiligt hatten
und bei uns war schnell klar, dass wir unseren Teil dazu beitragen
wollen. Mit dem SV Babelsberg, TeBe Berlin, Sankt Pauli und Roter
Stern Leipzig standen bereits vier Stationen fest, auch wenn in der
damaligen Planung noch der ein oder andere spielfreie Tag enthalten
war. So wurde sich wochenlang getroffen, beratschlagt, geschrieben
und telefoniert, bis letztendlich klar wurde, dass wir durchaus in
der Lage sind, ein eigenes Spiel zu stemmen, da sich auch der eigene
Verein dem gegenüber sehr aufgeschlossen präsentierte. Neben dem
ganzen organisatorischen Kram, der in den Ultra-Alltagsstress
eingebaut wurde, wurden fleißig Spenden gesammelt, denn die Tour
musste ja auch irgendwie finanziert werden. Dazu gab es beim
Heimspiel gegen Neumünster Spruchbänder und eine
Bierfass-Spendendose, die auch für unser durchschnittliches
Tribünenpublikum ganz gut gefüllt war.
Die Wochen zogen ins
Land, der große Tag der Ankunft rückte näher. Einzig das Wetter
machte uns einen dicken Strich durch die Rechnung. In Hamburg und
Berlin gab es Generalabsagen, es hörte nicht mehr auf zu schneien
und allgemeiner Frust und böse Befürchtungen machten sich breit. Am
Sonntag, den 17.03., fand dann wider Erwarten das erste Spiel der
Minsker bei TeBe statt. Vor stattlichen 400 Zuschauern wurde sich auf
der Wally-Wittmann-Sportanlage
durch den Schnee gekämpft und die Gäste aus Weißrussland gewannen
mit 2:1, auch wenn sich über den sportlichen Wert solcher Spiele
streiten lässt. Na ja, durch den Rahmen der Tour auch eher
zweitrangig.
Nun war es
endlich soweit. Wir buken Kuchen zum Soli-Verkauf in Dauerschleife,
teilweise bis in die fortgeschrittenen Morgenstunden und in eben
diesen stellten wir fest, dass über Nacht nochmal gut 10-15 cm
Neuschnee runtergekommen waren. Und das in der Nacht vorm Spiel.
Grauen machte sich breit: Das Spiel drohte zu platzen.
Nichtsdestotrotz wurde sich am Montag früh am Stadion getroffen und
alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Der Platz durfte nicht geräumt
werden, woraufhin auch das Vicky-Team, das zu diesem internationalem
Testkick auflaufen sollte, nicht damit rechnete, dass das Spiel
stattfinden konnte. Die Platzproblematik klärte sich im Laufe des
Tages, nachdem stundenlang vergeblich mit zuständigen oder nicht
zuständigen Ämtern, Vereinen, Verbänden und Fußballhallen
telefoniert und verzweifelt probiert wurde, eine Lösung zu finden.
Alle Mühen waren aber vergebens, denn wir haben letztendlich doch
das „Go“ bekommen, zumindest die Linien freizumachen und den
Schnee ein bisschen einzustampfen, damit überhaupt auf unserem
Kunstrasen gespielt werden konnte. Allein die Linien von
zentimeterdickem Eis freizukratzen war eine absolute Herausforderung,
die ein paar Mutige aber erfolgreich angingen. Plötzlich hatten wir
einen Platz, aber keine Mannschaft, die darauf spielen kann, worauf
eine in der ruhmreichen Nordkaos-Geschichte beispiellose Aktion
gestartet wurde, bei der sämtliche Leute im Verein, die irgendwas
mit Fußball zu tun haben, mal durchtelefoniert wurden, in der
Hoffnung, dass man irgendwie eine Mannschaft zusammenkriegt.
Problematisch war natürlich unter der Woche mittags jemanden zu
erreichen, da ja doch fast alle einem geregeltem Arbeits- oder
Ausbildungsleben nachgehen. Letztendlich haben wir dann doch ein paar
alte Herren auftreiben können, die Bock hatten, mal international
und für den guten Zweck zu spielen. Danke dafür!
Als die
MinskerInnen dann letztendlich am Nachmittag im Bus vorgefahren
kamen, steckte uns allen schon ein harter Tag in den Knochen und
aufgrund der allseits zu bewältigenden Aufgaben gab es anfangs
leider recht wenig Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit den Gästen.
Diese fühlten sich aber anscheinend in der Klause ganz wohl, wo sich
auch die Vorstände beider Vereine mal ein bisschen näher
kennenlernen durften. Wir hatten nur leider noch keine Gewissheit,
welche Mannschaft letztendlich spielen würde, aber als dann eine
Rumpfmannschaft Alte Herren kam, wurde sie kurzerhand mit unseren
eigenen Leuten und Bekannten verstärkt, sodass dann noch eine mehr
oder weniger schlagkräftige Truppe auf den Platz gehen konnte.
Das Spiel an sich ist
schnell erzählt: Noch in der Kabine wurde das ganz klare Ziel
ausgegeben, so wenige Tore wie möglich zu fangen, mit ein wenig
Glück vielleicht sogar eins zu erzielen. Dafür wurde der Bomber in
den Sturm gestellt, der Rest hatte dann eher defensive Aufgaben zu
verrichten. Vor Anpfiff wurden Wimpel ausgetauscht und die Spieler
aus Minsk erhielten einen Satz SCV-Schlüsselbänder, schließlich
sollen sie ja Victoria gewogen bleiben. :-)
Recht schnell wurde
deutlich, dass die Jungs aus Weißrussland es heute ernst meinten:
Trotz gefühlt meterhohem Schnee schafften sie es irgendwie, Pässe
in den Fuß zu spielen und so rollte Angriffswelle um Angriffswelle
auf die tapferen Blau-Gelben (heute in orange spielend) zu. In der
Verteidigung des SCV wurde die Marschroute „Bloß weg damit!“
ausgegeben und in der ersten Halbzeit funktionierte das zunächst
noch ganz gut. Nordkaos bzw. die Leute, die sich zum Spielen gemeldet
hatten, zunächst geschlossen auf der Bank, sodass die jungen Männer
von den Alten Herren fast unter sich waren. Diese konnten auch noch
halbwegs dagegen halten, hat halt schon seine Vorteile, wenn man sich
kennt und weiß, wo der andere im Zweifel hinläuft. Nach ungefähr
zehn Minuten machten sich die Leute auf der Bank aber schon mal warm,
Sitzen war bei den Temperaturen eindeutig unangenehmer. Bis zu den
ersten Wechseln sollte es aber noch dauern, zehn Minuten vor dem
Pausentee kam erstmals Bewegung rein. Die vielen Veränderungen
sorgten natürlich – wie man das so kennt – für einen kleinen
Qualitätsverlust, Minsk konnte aber nur bedingt Profit daraus
schlagen und zur Halbzeit war man mit dem Ergebnis noch recht
zufrieden. Fast hätte es sogar mit dem eigenen Tor geklappt, der
wunderbar getretene direkte Freistoß verfehlte sein Ziel aber knapp.
Die Fans aus Minsk hatten
auch ihren Spaß, besangen ihr Team und auch das ein oder andere
Rauchzeichen bzw. Lichtlein soll erblickt worden sein. Bei den ersten
Toren war der Jubel sowohl bei den weißrussischen Fans als auch bei
den Spielern noch recht groß, aber als sie merkten, dass sie gegen
eine zusammen gewürfelte Allstar-Mannschaft antraten, wurde das auch
weniger.
Für Halbzeit zwei nahm
man sich in der Kabine des SCV vor, es nicht zweistellig werden zu
lassen. Schade Marmelade! Die Minsker Jünglinge wollten sich zeigen
und gingen immer weiter überaus ehrgeizig zu Werke, sodass das
Ergebnis bis auf 12:0 (oder 13:1, hinterher war sich keiner einig) in
die Höhe schoss. Zum Ende hin gingen immer mehr die Kräfte
verloren, was mehr als verständlich war, da die Jungs der Alten
Herren schließlich 2 x 45 Minuten nicht gewohnt sind. Auch in der
zweiten Hälfte stand einem direkten Freistoßtreffer nur der Torwart
im Wege, der sich auch bei einem Fernschuss lang machen musste. Und
in der allerletzten Spielsekunde gab es noch die Riesen-Chance auf
den Anschluss-/Ehrentreffer. Leider verlor der Stürmer des SCV
alleine vorm Torwart die Nerven und schoss selbigen nur noch an.
Trotz des eindeutigen
Ergebnisses hatten alle Beteiligten sichtbar Spaß an diesem Spiel.
Auch Merch- und Kuchen-/Getränkeverkauf lief die ganze Spielzeit
über sehr gut, so dass von einem gelungenen Auftakt des Standort
Hamburgs zur Partizan-Tour gesprochen werden kann.
Nach dem Spiel gab es
dann noch exquisite Verköstigung in Form von Chili con und Chili sin
carne aus dem Riesentopf vom Gaskocher im Indoorgebrauch (no risk, no
fun) und chillen im PK-Raum, bevor sich zur gemeinsamen Feierei
aufgemacht wurde, von der der ein oder andere noch einen
Tresenabdruck auf der Stirn haben dürfte... Für uns endete dann ein
unglaublich harter Tag, der aber im Nachhinein ziemlich stolz darauf
macht, was unsere kleine Truppe mittlerweile auf die Beine stellen
kann. Selbstbeweihräucherung allez! Muss aber auch mal sein.
Am nächsten Tag übernahm
dann St. Pauli das Zepter der Organisation und es gab ein gemeinsames
Frühstück und eine Stadionführung am neuen Millerntor, bevor es
vor dem geplanten Spiel zu einer Infoveranstung ins Knust ging.
Leider war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Spiel gegen St.
Pauli leider nicht stattfinden würde. Es fanden sich dann zur
Infoveranstaltung so viele Leute ein, dass teilweise gestanden werden
musste. Insgesamt 'ne gute Veranstaltung, bei der die WeisrussInnen
viel Interessantes über sich, ihren Verein und zur generellen
Situation in Weißrussland zu erzählen hatten.
Am Mittwochmorgen gab es
noch ein letztes gemeinsames Frühstück, bevor der Bus der
WeißrussInnen dann zur nächsten Station nach Leipzig aufbrach.