Das war sie, die Woche der Entscheidung. Zumindest würden wir das in unserem Saisonrückblick nach gemeistertem Aufstieg in Liga 4 so behaupten. Zwei schwere Spiele gegen Bergedorf und dann gleich noch das altehrwürdige Derby gegen Mitaufstiegskonkurrent Altona 93. Drei Niederlagen = Aus die Maus, sprich 2011/2012 abhaken. Es stand also viel auf dem Spiel für Blau-Gelb.
Doch bekanntlich kommt es immer anders, als der Kaot denkt, denn statt Tristesse und Depressionen kehrte sie endlich zurück, unsere heiß geliebte Siegesgöttin. Nicht glanzvoll, aber verdammt nochmal abgeklärt.
Dass weit mehr in dem Team steckt, als in der Hinrunde gezeigt, wussten zumindest wir Eingeweihten. Nach grandioser Vorbereitung im Sommer waren wohl alle Blau-Gelben unter dem Motto „Wer soll uns denn bitte noch schlagen“ ins neue Fußballjahr gestartet.
Und genau genommen haben uns auch gar nicht so viele Mannschaften geschlagen – HR, Altona, Bergedorf, Condor und selbst das selten voll und ganz leistungsgerecht – doch teils extremes Verletzungspech einschließlich eines ungeheuren „lack of confidence“ sorgten für Angsthasenfußball und teilweise unerklärlichem Punkteverluste. Da wurde dann zum Beispiel ganz locker mal ein 3:0 gegen den Fußballriesen Billstedt verspielt.
Wie oft haben wir in dieser Zeit bitte das Spiel gemacht, Chancen über Chancen erarbeitet, um dann von nur einer kläglichen Torchance des Gegners ausgehebelt zu werden? Es war schlicht Furcht einflössend.
Seit Oktober allerdings ist unsere Equipe nun ungeschlagen und die 6:1-Demütigung der neureichen Schnelsener deutete ja schon vor Weihnachten an, wo unser Team sportlich eigentlich stehen müsste. Mit der Rückkehr einiger Verletzter sollte der SCV in der Rückrunde endlich voll durchstarten. Das überragende Testspiel gegen die wirklich starken Spanier in Santanyi schürte unsere Hoffnung entsprechend. Ebenso das ordentliche Spiel unserer Ersatztruppe gegen die Ersatztruppe vom HSV sowie Sensations-Verpflichtung Nico Patschinski. Dank ihm haben unsere Langzeitverletzten in der Offensive (D’Urso, Sudbrak und Bambur) nun die nötige Zeit, sich vollständig zu erholen.
Mit dem Auftakt gegen Norderstedt bekam der SCV-Anhang zwar ein schön anzusehendes Spiel, aber keine drei Punkte gereicht. Auch nicht so das Gelbe vom Ei. Dann doch besser andersherum und siehe da, wie gesagt, so getan:
Eine Woche später gab es zwar fußballerische Magerkost, doch in Hälfte Zwei reichten locker 15 Minuten grandioses Spiel (da liefen die Bälle tatsächlich wie von einem anderen Stern/gemessen an Oberligaverhältnissen) zum Sieg gegen Ostbek. Ähnlich die Partie Bergedorf Teil 1. Grausamer Fußball, Angstfußball, aber zumindest eine ganz ordentliche Defensive.
Den Unkenrufen übrigens, dass Victoria den Sieg nicht verdient hätte, muss hier mal ganz deutlich widersprochen werden: Bergedorf war ja nicht besser, Leute! Das war eine 22-Mann-Katastrophe!
Die Pokalversion der Bergedorf-Woche präsentierte uns dann endlich eine dominante Victoria und einen Sieg – die perfekte Kombination – und so langsam mutmaßen wir auf den Rängen, dass unser prachtvolles Pferdchen vielleicht auch einfach nur so hoch springt, wie es muss. Oder überheblicher formuliert: Die Mannschaft ist wahrscheinlich in der Oberliga total unterfordert.
Mit diesen Überlegungen gingen zumindest wir Kaoten, zumindest ein kleiner Teil der Kaoten, vielleicht auch nur ich, ins Derby. Ich war mir so sicher wie nie, diesen Klassiker zum ersten Mal seit Bestehen unserer Gruppe zu gewinnen. Dass auch die Medien Victoria zum klaren Favoriten machten, festigte meine Überzeugung natürlich und selbst die ersten grauenhaften 45 Minuten konnten mich nicht mehr zum Zweifeln bringen. Aber alles der Reihe nach…
Derbytime. Wie es sich gehört, muss dafür natürlich auch eine entsprechende Choreo gezaubert werden. Unsere höchst imposanten Pläne wurden allerdings kurzfristig ad acta gelegt. Bei einem Auswärtsspiel alles zu schwer und risikoreich. Daher wurde zwei Tage vorher auf eine kleine, nette Aktion umgeschwenkt und alles andere auf die ja noch anstehenden Aufstiegsfeierlichkeiten verschoben!!!
Das Thema blieb natürlich „der Aufstieg“, ist ja genau genommen auch ein Diss, immerhin geht es da um etwas, dass wir bekommen und Altona nicht. Nein, tatsächlich sollte dieses Derby als genau das gesehen werden, was es letztlich auch war: Eine sehr wichtige Etappe auf dem Weg zum großen Ziel. Daher schnitten wir in Anlehnung an eine älteren NK-Aktion (siehe Voran Ohe) ein paar Styroporplatten zurecht, bepinselten sie und garnierten den feinen Schriftzug „Aufstieg“ mit viel Konfetti und blau-gelben Krepp. Klein, fein, angemessen.
Wie im Jahr zuvor wollten wir die Tribüne in Beschlag nehmen. Es ist einfach schöner, die Fans des Gegners gut sichtbar vor sich zu haben und sich quasi anzusingen. Leider kostet dieser Spaß bei Altona ein kleines Vermögen und man muss schon müde lächeln, wenn einige Pöbler im Amateurbereich immer noch meinen, bei Victoria sei ja alles so teuer. Ja ja.
Die Kontrollen waren überraschend entspannt und Nordkaos nahm zeitig im heutigen Stimmungsnest Platz. Dann hieß es beflaggen und die sich warmmachende Mannschaft mal richtig warm zu machen. Die Kurve sang sich schon vor Anpfiff leidenschaftlich ein und hielt dieses Level auch die ganze Partie. Alles in Allem ein guter Auftritt. Attest: Noch keine 100 Prozent, aber auf einem guten Weg.
Lediglich das Spiel kam nicht ganz so gut in Schwung wie der kleine Gästehaufen. Es war leider der AFC, der die erste Hälfte bestimmte, hinten sehr sicher stand und unserer Mannschaft immer wieder forderte. Das sah alles sehr, sehr mager aus. Zumal Altona sich bald Chance über Chance erspielte. Allerdings nährte sich auch der Eindruck: Die treffen das Tor sowieso nie. Hervorzuheben übrigens beim SCV unser Schlussmann Christian Schau. Es ist schon bemerkenswert, wie er, seitdem Dennis ihm nicht mehr im Nacken hängt, sich Spiel für Spiel steigert.
In der Halbzeitpause – ja, Besserwisser-ich-hab-es-ja-gesagt-Modus an – weissagte meine ungeheuere Fußballkompetenz, dass der SCV ganz klar gewinnen werde. Die übliche Leier, wer seine Chancen nicht nutzt, der wird bestraft und so. Und wie orakelt, so geschehen: Jan Vierig setzt sich rechts durch, bringt sein größtes Talent „Schnelligkeit“ ein und marschiert gen Tor. In der Mitte läuft Patsche ganz allein mit, alles sieht nach einem Bergedorf-No.1-Reloaded-Tor aus, doch… ein dummes Altona-Bein verhindert last-second die Hereingabe. So denke ich zumindest noch, während der nun abgelenkte Ball eine eigenartige, geradezu verheißungsvolle Richtung einschlägt. Olli Hinz scheint ähnlich irritiert wie ich, doch offensichtlich habe ich meinen Gedankengang schneller beendet als er und TOR! TOR! TOR! Eigentor. Kann man mal machen. Aber ganz ehrlich, wenn der AFC sich die Kugel nicht selbst ins Netz gelegt hätte, dann eben Patschinski. Von Glück muss man da nicht sprechen.
Die Kurve explodierte natürlich. Der große, langersehnte Derbysieg rückte näher. Ich klopfte mir insgeheim selbst auf die Schulter: Hab ich doch gesagt.
Noch voll in der Euphoriephase dann aber der Auftritt von zwei Hampelmännern, die sich vor unseren Block stellten und eigenartige Zuckungen erlitten. Leider wollten sie nicht von selbst wieder gehen. Sie wurden dann gegangen. Whatever.
Das Spiel wurde schließlich ganz klar von Vicky dominiert. Ergebnis-Verwaltung und Altona hatte dem nichts mehr entgegen zu setzen. Kurz vor Schluss dann die Entscheidung: Cem geht an Hinz vorbei, der legt ihn. Klarer Elfer. Auch wenn das wieder einige als glücklich abtun, aber Cem hatte Hinz eigentlich schon umkurvt und stand allein vorm leeren Kasten. Den hätte wirklich, wirklich, wirklich sogar er gemacht.
Veni, Vedi, Vicky (der musste mal sein) – Hoose macht das 2:0. Die Kurve jetzt nicht mehr zu bremsen: Das war er, der Derbysieg. Jetzt gab es nur noch Party!
DERBYSIEGER! Laut singend verabschiedete sich der blau-gelbe Mob schließlich aus Altona.
Das Ultra-Abschiedskomitee wollte dem Victoria-Haufen dann auch gleich noch den nächsten Derbysieg schenken und erheiterte den Rest des Abends mit abstrusen Internet-Aktionen. Ultras! Ultras! Ultras! See You, Altona.
P.S.: Nicht zu vergessen und einen eigenen Absatz wert: Das Derby stand unter dem Motto „Rettet MTZ-Ripo Minsk!“ Gemeinsam mit der AFC-Szene galt es, Spenden zu sammeln. Zur zweiten Hälfte zeigten wir entsprechende Spruchbänder!