18. - 19.01.2014, Kosmos, Berlin
Von erholsamer Winterpause keine Spur.
Nachdem zwischen den Festtagen das GaSa-Treffen in unserem Stadion
stattfand, folgten mit FfgH-Turnier und Hallenmasters auch an den
folgenden Wochenenden kleine Highlights, dazu die üblichen
Testspiele und Indoor-Auftritte. Am 18. & 19.1. fand in Berlin
der Fankongress 2014 statt, wobei erstmals auch vier Kaoten anwesend
waren. Während „ganz arme Haut“/Atzilo seiner alten Liebe und
Heimatstadt bereits vorher einen Besuch abstattete und am Freitag
bekannte Gesichter durch die Kneipen des Prenzlauer Bergs führte,
brachen HH Ost, die Stimme und Dietmar Hopping erst am Samstag in
aller Herrgottsfrühe auf. Gut durchgekommen erreichten wir den
ehemalig größten DDR-Kino-Komplex Kosmos in Friedrichshain noch vor
offiziellem Einlass und hatten so ausreichend Zeit zum Frühstücken
und vorsichtigen Observieren von Gruppen, hehe.
Rechtzeitig vor Beginn vervollständigte
sich der Haufen und mit leichter Verspätung startete das Programm
mit diversen Eröffnungsreden und Vorstellungsrunden. Vertreter von
'ProFans' und 'Unsere Kurve' sowie Helmut Spahn (angenehm gemäßigter
ehemaliger Sicherheitsbeauftragter DFB) begrüßten die Teilnehmer
und stellten den Ablaufplan und die Arbeitsgruppen vor. Fünf
Themenblöcke standen zur Auswahl, wobei wir uns im Endeffekt alle
für den Amateurbereich entschieden, bei dem vormittags über den
(Un-)Sinn von Zweitvertretungen im Ligabetrieb diskutiert werden
sollte. Vielleicht wäre eine Aufsplittung auch praktisch gewesen, um
mehr Eindrücke zu gewinnen, doch waren die Inhalte dieses Themas für
unsereins deutlich lebensnaher als Debatten über die 50+1-Regel o.ä.
Auch ist es für eine Gruppe wie uns interessanter, Ansichten von
Reutlingen-, Zwickau- oder Lübeck-Vertretern kennenzulernen als von
Hertha oder Köln.
Dank breit gefächerter Aufarbeitung
während des Kongresses und anschließend über diverse Medien konnte
man zudem gewisse Eindrücke und Ergebnisse aus den anderen
Themenblöcken mitnehmen. Der Vormittags-Workshop war dabei nur
teilweise befriedigend. Von Violet Crew-Mitgliedern geleitet saßen
ein Vertreter vom UKL, aus Oldenburg und von schwatzgelb.de auf der
Bühne, Redebeiträge aus dem Publikum ergänzten die Debatte.
Während der Fan von Dortmund II die aktuelle Handhabe als einzige
Möglichkeit zur effektiven Nachwuchsförderung sieht, empfinden
andere die Zweitvertretungen schlicht als wettbewerbsverzerrend,
unattraktiv und überflüssig. Die Vorschläge zur Verbesserung
reichen dabei von einer Begrenzung auf eine feste U23-Teamanzahl bis
zu einer eigenen Reserverunde, ernsthafter Konsens und wirkliche
argumentative Tiefe leider Fehlanzeige. Ziemlich bezeichnend daher
auch das Ergebnis, welches auf der Abschlusskundgebung verkündet
wurde: Reformbedarf irgendwie ja, genaueres weiß aber keiner so
wirklich. Nun denn.
Schade auch, dass nach Ende des
Vormittagsthemas kein Mittagessen mehr verfügbar war. Durch
vorherige Anmeldung und Überweisung des Teilnehmerbeitrags von 30€
sollte man eigentlich ansatzweise kalkulieren können und dann ist es
schon schade, wenn der benachbarte Imbiss dem Magenknurren Abhilfe
schaffen muss. Die Brötchen morgens waren dafür jeweils sehr gut
und die sonstige Organisation und die Location auch, dafür auf alle
Fälle ein großes Lob. Auch die mediale Präsentation mit Tickern,
YouTube-Zusammenschnitten und diversen Medien wusste im Nachhinein zu
gefallen.
Nach Schnacken und Begutachten
nachmittags wieder inhaltliche Arbeit. Von uns besuchtes Thema im
überfüllten Saal war der Konflikt vieler (Traditions-)Vereine
zwischen finanziellem Risiko bis zur Insolvenz und ausbleibendem
Erfolg inklusive Bedeutungslosigkeit im gehobenen Amateurbereich. Die
inhaltliche Einleitung übernahmen der Fanbeauftragte der
Sportfreunde Siegen und der Vorstandsvorsitzende des VfB Lübeck, der
in seiner Präsentation sehr detailliert und gut gemacht auf den
Werdegang, die Probleme und die Neuaufstellung der
Schleswig-Holsteiner einging. Das Podest war interessant besetzt mit
Vertretern von Red Kaos Zwickau, der Szene E Reutlingen, dem
sportlichen Leiter Reutlingens, dem Präsidenten Osnabrücks, einem
Mitglied der Lübecker Ultras, dem oben erwähnten
Vorstandsvorsitzenden der Marzipanstädter und einem Mitglied von
Nordkaos, welches auch repräsentierend für „Glotze aus, Stadion
an!“ auftrat. Unser Vertreter machte seine Sache übrigens gut, da
sind sich ja wohl alle einig! ;-)
Nach vielen Beispielen für Ursachen,
Probleme und Chancen diverser Vereine konkretisierte sich die
Diskussion verstärkt auf den Punkt, wie weit sich aktive
Vereinsarbeit in Gremien und wichtigen Posten mit Vertretung
zentraler Ideale der Ultrá-Kultur in Einklang bringen lässt. Denn
wenn man sich z.B. vorstellt, gegenüber der eigenen Gruppe
zugelassene Stadionverbote oder andere Einschränkungen und
unangenehme Entscheidungen rechtfertigen zu müssen, hört es wohl
doch auf. Auf alle Fälle schwierig, hier muss jeder seinen eigenen
Umgang finden, klar. Dennoch betonten viele, welche Chancen es
bietet, die unentgeltliche Leidenschaft der eigenen Fans in die
Vereinsarbeit kleiner Clubs zu integrieren und diese gemeinsam wieder
nach oben zu führen.
Am späten Nachmittag folgte im großen
Saal die zentrale Diskussionsrunde rund um das Verhältnis zwischen
Fans und Polizei. Die illustre Runde auf der Bühne wurde auch von
zwei Polizeivertreten ergänzt, die sich – anders als
NRW-Innenminister Jäger – dem Dialog stellten. Dass dieser auch in
Zukunft nicht von allen Fans gerne geführt wird, ist offensichtlich.
Zu schwerwiegend ist der Bruch zwischen allen Parteien.
Herausgearbeiteter Punkt für die Zukunft ist die Stärkung von
Fanprojekten und Fanbeauftragen insbesondere in ihrer
Unantastbarkeit. Im Laufe dieses Programmpunktes machten die Vorfälle
aus Köln die Runde, welche natürlich zu einem denkbar ungünstigen
Zeitpunkt stattfanden. Dass die zum Teil durchaus wohlwollende
Presse-Berichterstattung in diesen Tagen automatisch mit der
Schlägerei am Rudolfplatz verbunden wird, ist nicht zu verhindern,
dumm. Da finden sich mehr als 700 Fans von mehr als 80 Vereinen ein
und zeigen mit Vertretern aus allen möglichen Bereichen, dass sich
zumindest unterhalten lässt und ändern wird es wohl nichts.
Mit gemischten Gefühlen verließen wir
den ersten Tag der Veranstaltung und widmeten uns dem individuellen
Abendprogramm im Stadtteil Prenzlauer Berg. Da alle ein wenig
gerädert waren, wurde zumindest nicht durchgemacht, bevor sich unser
Grüppchen trennte und über Berlins Straßen ergossen/verteilten...
;-)
Am nächsten Morgen in aller Frische
wieder eingefunden, fand vor der späteren Abschlusskundgebung noch
eine Diskussionsrunde zu Chancen und Grenzen der
Anti-Diskriminierungsarbeit rund um den Fußball statt. Da viele
problematische Gruppen gar nicht erst gekommen waren oder ausgeladen
wurden, blieb es über große Teile sehr konsens-geprägt wie die
meisten Dialoge. Dass sich niemand hinstellt und groß über linkes
Gutmenschentum oder den Unsinn von Antirassismus labert, ist klar.
Trotzdem fehlte der entscheidende Pfeffer, waren sich halt alle
überwiegend einig. Hätte man sich vielleicht denken können, ist ja
auch Augenwischerei, dass hier die deutsche Fanlandschaft in Gänze
repräsentiert wird. Positiv bleibt das relativ offensive
Proklamieren des Grundkonsenses der Veranstaltung, was dem
Fankongress eine positivere Grundmischung gibt. Zwar war auch so
manch zweifelhafte Fanszene anwesend, aber wenn man die Veranstalter
hier am Ball bleiben, könnte die Wiederholung in zwei Jahren durch
freiwilligen Verzicht der mehrheitlich dummen Gruppen ein
angenehmeres Klima bekommen.
Der Abschluss war dann nur noch relativ
dünn besucht, der Sonntag war für manche Person thematisch wohl
doch nicht mehr reizvoll genug. Es bleiben natürlich neue Eindrücke,
wie groß der Erkenntnisgewinn für jeden einzelnen dabei ist, sei
mal dahin gestellt. Positiv zumindest die aktive Teilnahme manch
hochkarätiger Vertreter anderer Seiten wie z.B. von Andreas Rettig
von der DFL, der auch in den Workshops den Mund aufmachte. Manche
werden zwar mit Konsens und Dialog nie etwas anfangen können, ein
Zeichen nach außen wurde aber schon gesendet.