Sonntag, 15. August 2010

DFB-Pokal, 1. Runde: SC Victoria – RW Oberhausen 1:0 (15.08.2010)

Schon den zweiten Tag in Folge schmücken nunmehr die Konterfeis unserer Pokalhelden die Titelseiten der städtischen Gazetten, ein Traum in Blau und Gelb, an den wohl niemand zu glauben gewagt hätte. Naja, das ist nicht so ganz korrekt, denn innerhalb des Vereins gab es seit der ernüchternden Auslosung vermehrt Stimmen, die es offen auf die zweite Runde abgesehen hatten.

Ganz klar, wenn die Attraktivität des Gegners nicht reicht, um mehr Zuschauer an die Hoheluft zu locken als im Pokalfinale gegen HR, dann hilft nur eines: Den sportlich schlechtesten Gegner (zumindest dem Papier nach) raushauen und dann eben später einen ganz Großen ziehen. Gesagt, getan!

Auch wenn ich am Anfang ziemlich skeptisch war, so hat mich die Überzeugung von Mannschaft und Verantwortlichen dann doch mitgerissen. Alle haben an ihre Chance geglaubt, letztlich sogar ich. Selbst wenn es nach Phrasenklopfen klingt, aber das ist und bleibt der Grundstein eines solchen Erfolges: Wer schon im Vorfeld aufgibt und sagt ‘unmöglich’, der kann auch nix erreichen!

Die Tage vor dem großen Spiel schien sich allerdings keiner so recht für den SC Victoria zu interessieren. Null Aufmerksamkeit – so ist das halt in einer Stadt mit dem HSV und St. Pauli, für die Kleinen bleibt nichts mehr übrig. Schade für unsere tolle Mannschaft, die so viel leistet und zwar schon über einen so langen Zeitraum hinweg, ohne Millionen und große Prämien.

Als dann am Samstag auch noch die Meldung über den Äther flackerte, dass der supi-dupi Kultverein aus dem Pokal geflogen sei, fing der ein oder andere Kaot schon mal zu spinnen an: Wie geil wäre es, wenn wir als einziger Hamburger Club die zweite Runde erreichen würden?!? Tagträumen war angesagt – den Torjubel hab ich x-fach in meiner Phantasie durchgespielt und da war es schon Hammer! Natürlich hat auch vor meinem inneren Auge immer der Rahner eingenetzt, versteht sich jawohl von selbst.

Dann der große Tag, viel zu früh am Stadion, kurze Diskussionen mit den ungewohnten Massen an Ordnern, die dann aber doch ganz umgänglich waren und ab ging es, die Aufregung mit Arbeit im Zaum halten. Lief auch alles glatt, perfekt, sogar das Wetter spielte mit, unglaublich.

Langsam füllte sich das Stadion und auch der Gästeblock. Etwas weniger als 2000 Zuschauer erwarteten dann den Anpfiff an der Hoheluft, nicht viel, aber das kennen wir ja, HSV schauen auf Sky war wohl angesagter. Naja, nicht nur, aber Sonntagnachmittag ist einfach ein dämlicher Termin für die Amateure, immerhin spielen alle niedrigen Klassen, einschließlich Jugend parallel. Viele Zuschauer, ob Fans oder Spieler anderer kleiner Clubs fallen damit weg, genau die, die sich vielleicht noch für solch einen Kick interessieren könnten. Danke DFB, wie immer voll im Bilde.

Zu Beginn gab es von uns dann erstmal kleine gelbe Folienfähnchen, eine begrenzte Aktion, aber immerhin eine für uns paar Leutchen mögliche Aktion. Dann legten wir auch schon recht beherzt mit unserem Support los, etwas zerfahren, aber okay. Auch Oberhausen begann, so wie ich das aus der Entfernung beurteilen kann, ordentlich. Der SCV spielte sehr engagiert auf, Oberhausen natürlich klar überlegen, viel Zählbares kam aber nicht raus. Innerlich feierte ich jede Minute, die der SCV das Null-Null halten konnte, ab. Dann der große Moment, Freistoß auf der anderen Seite, so richtig konnte ich das gar nicht erkennen, war der Torhüter noch dran oder aber zappelte der Ball da etwa im Netz? Viele blau-gelbe Spieler bildeten Jubeltrauben… sollte das etwa wahr sein… dann brach es aus dem Kaos heraus, 1:0 durch Stephan Rahn nach gerade einmal 29 Minuten Spielzeit! Alle auf den Zaun, totale Ekstase! Manche Träume werden eben doch wahr, zumindest schon mal der ersehnte Torjubel zum Führungstreffer. Nun hieß es zittern.

Übrigens hilft Support enorm, die Aufregung eines so spannenden Spiels zu ertragen. Zumindest ich hatte nicht den Eindruck, dass von Oberhausen jetzt das große Aufbäumen folgte, die Rot-Weißen spielten ihren Stiefel unbekümmert weiter. Vielleicht sogar verständlich. Anfang der zweiten Hälfte kamen die Ruhrpottler noch einmal zu einigen guten Chancen, alles im allen fand ich das aber zu wenig und zu einfallslos. Wenn Meiendorf oder Norderstedt sich rühmen, gegen uns drei mal das Aluminium zu treffen, okay, ein Zeichen absoluter Überlegenheit. Bei einem Zweitligisten erwarte ich allerdings, dass unsere Jungs das Leder alle drei Minuten von der Linie fischen, zumindest wenn die Jungs aufdrehen. Und irgendwann hätte so ein Aufdrehen dann auch mal nötig werden müssen, aber nichts, RWO wirkte auch zehn Minuten vor Ende noch ziemlich berechenbar. Auf viele Angriffe konnte unsere 11-Mann -Abwehr sich relativ einfach einstellen und bei den anderen half das Glück, respektive Florian Ludewig.

Der Traum rückte also in greifbare Nähe, unser Support wurde leider immer fahriger, zwar immer wieder laut, aber auch oftmals zu schnell oder einfach vollkommen aus dem Rhythmus. Wer kann sich da auch noch konzentrieren?

Hatte ich übrigens erwähnt, dass meine Stimme eigentlich schon nach dem 1:0, sprich nach dreißig Minuten vollkommen weg war? Ging wohl allen Kaoten so, am Ende total fertig und mit allen erdenklichen Reserven die letzten paar Schlachtrufe rausgehauen. Dann die Nachspielzeit auf den Zaun und abwarten. Ein paar Befreiungsschläge später: Abpfiff, kollektives Ausrasten! Auf dem Platz und auf den Rängen! Die Sensation, ganz so, wie versprochen.

Das Stadion am Feiern, auch die übrigen Zuschauer haben gut mitgemacht, wer hätte je gedacht, an der Hoheluft in absehbarer Zeit mal Wechselgesänge zu hören? Alles unglaublich!

Die Mannschaft hat großartig gekämpft und damit ist der Sieg für mich vollkommen verdient, egal ob RWO besser war oder nicht, ich meine, RWO ist Zweitligist, natürlich sind die besser, nur wenn sie kein Tor gegen einen Oberligisten, wenn auch mit Regionalligaformat machen, na, dann ist eben Endstation. In Sachen Pokal sind wir jetzt schon mal die Nummer zwei der Stadt, oder? Ultra’ zweite Runde und so… ;-)

Zeit vordrehen auf ein paar Stunden nach dem Spiel: Ha, Victoria steht in allen deutschen Videotexten auf Seite 1. Da kann man auch gut und gerne mal ne geschlagene halbe Stunde drauf starren und sich erhaben fühlen. Am nächsten Morgen erstmal alle Zeitungen durchwühlt, ich inhaliere derzeit alle Berichte, einfach alles.

Dann fällt heute auch noch das geplante Testspiel aus, verdammt ich kann es gar nicht erwarten, unsere Pokalhelden wieder in Aktion zu sehen, aber Freitag ist ja nimmer lang!

Und, heute hab ich immerhin wieder genug Stimme, meine Freude auch jemandem verbal mitzuteilen. Aber was soll’s, heißt es nicht, der Genießer schweigt?

Freitag dann wieder alle an die Hoheluft, Alles für den SCV!