Montag, 18. März 2013

Internationales Soli- und Freundschaftsspiel: SC Victoria All-Stars – Partizan Minsk 0:12 (18.03.2013, 150 Zuschauer)

Partizan-Minsk-Tour 2013

An einem milden Sonntag im März des letzten Jahres wurde nicht nur ein lang ersehnter Derbysieg gegen Altona 93 eingefahren, sondern auch der Grundstein für die aktive Beteiligung unseres SCV an der Partizan-Minsk-Tour 2013 gelegt. Damals sammelten wir gemeinsam mit der Fanszene von Altona Spenden für das Überleben eines außergewöhnlichen weißrussischen Fußballvereins: Partizan Minsk. Bis 2010 hieß der Verein noch MTZ-Ripo und kickte in der ersten weißrussischen Liga, bevor er vom Besitzer Romanov in Partizan umbenannt wurde. Dieser zog sich sich 2011 aus dem Club zurück, womit der Verein finanziell zusammenbrach und er Ende 2011 vor dem Aus stand. 2012 wurde er von den eigenen Fans als selbstverwalteter Verein neu gegründet und spielt seitdem in der 4. weißrussischen Liga. Dieser Schritt konnte allerdings erst mit Hilfe internationaler Soli-Aktionen vollzogen werden, da auch in Minsk das Geld nicht auf Bäumen wächst und mit einer Vereinsgründung ein hoher organisatorischer und finanzieller Aufwand verbunden ist.
Die breite Welle an Solidaritäts-Aktionen beruht auf einer Besonderheit der Anhänger des Vereins: Sie zeigen aktives antirassistisches Engagement und leben eine antifaschistische Fankultur. In der oft zitierten letzten Diktatur Europas eine absolute Herausforderung.
So kam es, dass die Idee geboren wurde, diesen Club und seine Fans mal nach Deutschland zu holen und uns so im Rahmen mehrerer Spiele die Möglichkeit eines gemeinsamen Austausches zu geben. Es wurden wurden alle Szenen/Gruppen angefragt, die sich an Soli-Aktionen beteiligt hatten und bei uns war schnell klar, dass wir unseren Teil dazu beitragen wollen. Mit dem SV Babelsberg, TeBe Berlin, Sankt Pauli und Roter Stern Leipzig standen bereits vier Stationen fest, auch wenn in der damaligen Planung noch der ein oder andere spielfreie Tag enthalten war. So wurde sich wochenlang getroffen, beratschlagt, geschrieben und telefoniert, bis letztendlich klar wurde, dass wir durchaus in der Lage sind, ein eigenes Spiel zu stemmen, da sich auch der eigene Verein dem gegenüber sehr aufgeschlossen präsentierte. Neben dem ganzen organisatorischen Kram, der in den Ultra-Alltagsstress eingebaut wurde, wurden fleißig Spenden gesammelt, denn die Tour musste ja auch irgendwie finanziert werden. Dazu gab es beim Heimspiel gegen Neumünster Spruchbänder und eine Bierfass-Spendendose, die auch für unser durchschnittliches Tribünenpublikum ganz gut gefüllt war.
Die Wochen zogen ins Land, der große Tag der Ankunft rückte näher. Einzig das Wetter machte uns einen dicken Strich durch die Rechnung. In Hamburg und Berlin gab es Generalabsagen, es hörte nicht mehr auf zu schneien und allgemeiner Frust und böse Befürchtungen machten sich breit. Am Sonntag, den 17.03., fand dann wider Erwarten das erste Spiel der Minsker bei TeBe statt. Vor stattlichen 400 Zuschauern wurde sich auf der Wally-Wittmann-Sportanlage durch den Schnee gekämpft und die Gäste aus Weißrussland gewannen mit 2:1, auch wenn sich über den sportlichen Wert solcher Spiele streiten lässt. Na ja, durch den Rahmen der Tour auch eher zweitrangig.
Nun war es endlich soweit. Wir buken Kuchen zum Soli-Verkauf in Dauerschleife, teilweise bis in die fortgeschrittenen Morgenstunden und in eben diesen stellten wir fest, dass über Nacht nochmal gut 10-15 cm Neuschnee runtergekommen waren. Und das in der Nacht vorm Spiel. Grauen machte sich breit: Das Spiel drohte zu platzen. Nichtsdestotrotz wurde sich am Montag früh am Stadion getroffen und alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Der Platz durfte nicht geräumt werden, woraufhin auch das Vicky-Team, das zu diesem internationalem Testkick auflaufen sollte, nicht damit rechnete, dass das Spiel stattfinden konnte. Die Platzproblematik klärte sich im Laufe des Tages, nachdem stundenlang vergeblich mit zuständigen oder nicht zuständigen Ämtern, Vereinen, Verbänden und Fußballhallen telefoniert und verzweifelt probiert wurde, eine Lösung zu finden. Alle Mühen waren aber vergebens, denn wir haben letztendlich doch das „Go“ bekommen, zumindest die Linien freizumachen und den Schnee ein bisschen einzustampfen, damit überhaupt auf unserem Kunstrasen gespielt werden konnte. Allein die Linien von zentimeterdickem Eis freizukratzen war eine absolute Herausforderung, die ein paar Mutige aber erfolgreich angingen. Plötzlich hatten wir einen Platz, aber keine Mannschaft, die darauf spielen kann, worauf eine in der ruhmreichen Nordkaos-Geschichte beispiellose Aktion gestartet wurde, bei der sämtliche Leute im Verein, die irgendwas mit Fußball zu tun haben, mal durchtelefoniert wurden, in der Hoffnung, dass man irgendwie eine Mannschaft zusammenkriegt. Problematisch war natürlich unter der Woche mittags jemanden zu erreichen, da ja doch fast alle einem geregeltem Arbeits- oder Ausbildungsleben nachgehen. Letztendlich haben wir dann doch ein paar alte Herren auftreiben können, die Bock hatten, mal international und für den guten Zweck zu spielen. Danke dafür!
Als die MinskerInnen dann letztendlich am Nachmittag im Bus vorgefahren kamen, steckte uns allen schon ein harter Tag in den Knochen und aufgrund der allseits zu bewältigenden Aufgaben gab es anfangs leider recht wenig Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit den Gästen. Diese fühlten sich aber anscheinend in der Klause ganz wohl, wo sich auch die Vorstände beider Vereine mal ein bisschen näher kennenlernen durften. Wir hatten nur leider noch keine Gewissheit, welche Mannschaft letztendlich spielen würde, aber als dann eine Rumpfmannschaft Alte Herren kam, wurde sie kurzerhand mit unseren eigenen Leuten und Bekannten verstärkt, sodass dann noch eine mehr oder weniger schlagkräftige Truppe auf den Platz gehen konnte.
Das Spiel an sich ist schnell erzählt: Noch in der Kabine wurde das ganz klare Ziel ausgegeben, so wenige Tore wie möglich zu fangen, mit ein wenig Glück vielleicht sogar eins zu erzielen. Dafür wurde der Bomber in den Sturm gestellt, der Rest hatte dann eher defensive Aufgaben zu verrichten. Vor Anpfiff wurden Wimpel ausgetauscht und die Spieler aus Minsk erhielten einen Satz SCV-Schlüsselbänder, schließlich sollen sie ja Victoria gewogen bleiben. :-)
Recht schnell wurde deutlich, dass die Jungs aus Weißrussland es heute ernst meinten: Trotz gefühlt meterhohem Schnee schafften sie es irgendwie, Pässe in den Fuß zu spielen und so rollte Angriffswelle um Angriffswelle auf die tapferen Blau-Gelben (heute in orange spielend) zu. In der Verteidigung des SCV wurde die Marschroute „Bloß weg damit!“ ausgegeben und in der ersten Halbzeit funktionierte das zunächst noch ganz gut. Nordkaos bzw. die Leute, die sich zum Spielen gemeldet hatten, zunächst geschlossen auf der Bank, sodass die jungen Männer von den Alten Herren fast unter sich waren. Diese konnten auch noch halbwegs dagegen halten, hat halt schon seine Vorteile, wenn man sich kennt und weiß, wo der andere im Zweifel hinläuft. Nach ungefähr zehn Minuten machten sich die Leute auf der Bank aber schon mal warm, Sitzen war bei den Temperaturen eindeutig unangenehmer. Bis zu den ersten Wechseln sollte es aber noch dauern, zehn Minuten vor dem Pausentee kam erstmals Bewegung rein. Die vielen Veränderungen sorgten natürlich – wie man das so kennt – für einen kleinen Qualitätsverlust, Minsk konnte aber nur bedingt Profit daraus schlagen und zur Halbzeit war man mit dem Ergebnis noch recht zufrieden. Fast hätte es sogar mit dem eigenen Tor geklappt, der wunderbar getretene direkte Freistoß verfehlte sein Ziel aber knapp.
Die Fans aus Minsk hatten auch ihren Spaß, besangen ihr Team und auch das ein oder andere Rauchzeichen bzw. Lichtlein soll erblickt worden sein. Bei den ersten Toren war der Jubel sowohl bei den weißrussischen Fans als auch bei den Spielern noch recht groß, aber als sie merkten, dass sie gegen eine zusammen gewürfelte Allstar-Mannschaft antraten, wurde das auch weniger.
Für Halbzeit zwei nahm man sich in der Kabine des SCV vor, es nicht zweistellig werden zu lassen. Schade Marmelade! Die Minsker Jünglinge wollten sich zeigen und gingen immer weiter überaus ehrgeizig zu Werke, sodass das Ergebnis bis auf 12:0 (oder 13:1, hinterher war sich keiner einig) in die Höhe schoss. Zum Ende hin gingen immer mehr die Kräfte verloren, was mehr als verständlich war, da die Jungs der Alten Herren schließlich 2 x 45 Minuten nicht gewohnt sind. Auch in der zweiten Hälfte stand einem direkten Freistoßtreffer nur der Torwart im Wege, der sich auch bei einem Fernschuss lang machen musste. Und in der allerletzten Spielsekunde gab es noch die Riesen-Chance auf den Anschluss-/Ehrentreffer. Leider verlor der Stürmer des SCV alleine vorm Torwart die Nerven und schoss selbigen nur noch an.
Trotz des eindeutigen Ergebnisses hatten alle Beteiligten sichtbar Spaß an diesem Spiel. Auch Merch- und Kuchen-/Getränkeverkauf lief die ganze Spielzeit über sehr gut, so dass von einem gelungenen Auftakt des Standort Hamburgs zur Partizan-Tour gesprochen werden kann.
Nach dem Spiel gab es dann noch exquisite Verköstigung in Form von Chili con und Chili sin carne aus dem Riesentopf vom Gaskocher im Indoorgebrauch (no risk, no fun) und chillen im PK-Raum, bevor sich zur gemeinsamen Feierei aufgemacht wurde, von der der ein oder andere noch einen Tresenabdruck auf der Stirn haben dürfte... Für uns endete dann ein unglaublich harter Tag, der aber im Nachhinein ziemlich stolz darauf macht, was unsere kleine Truppe mittlerweile auf die Beine stellen kann. Selbstbeweihräucherung allez! Muss aber auch mal sein.
Am nächsten Tag übernahm dann St. Pauli das Zepter der Organisation und es gab ein gemeinsames Frühstück und eine Stadionführung am neuen Millerntor, bevor es vor dem geplanten Spiel zu einer Infoveranstung ins Knust ging. Leider war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass das Spiel gegen St. Pauli leider nicht stattfinden würde. Es fanden sich dann zur Infoveranstaltung so viele Leute ein, dass teilweise gestanden werden musste. Insgesamt 'ne gute Veranstaltung, bei der die WeisrussInnen viel Interessantes über sich, ihren Verein und zur generellen Situation in Weißrussland zu erzählen hatten.
Am Mittwochmorgen gab es noch ein letztes gemeinsames Frühstück, bevor der Bus der WeißrussInnen dann zur nächsten Station nach Leipzig aufbrach.