Regionalliga ist so ein Auf und Ab der
Gefühle. Zugegeben, mit mehr Abs als Aufs. Sportlich geht nicht viel
und gerade der Gesamtauftritt des SCV gegen Havelse war wirklich
gespenstisch. Die Mannschaft absolut regionalliga-unwürdig, die
Kurve lustlos und träge. Grundsätzlich herrscht zur Zeit ein
gewisses Heimspielphlegma. Wieso sind wir jetzt plötzlich weniger
als noch in der letzten Rückrunde? Sportlicher Frust,
Heimspiel-Overload, zu wenig Reiz, wenn man stattdessen
feuchtfröhlich auswärts fahren kann? Mag ja alles sein, aber unsere
Punkte müssen wir immer noch an der Hoheluft holen und genau dort
braucht die Mannschaft unsere Unterstützung. Hängt euch also rein,
Leute!
Auch die Motivation zur Tour nach
Neumünster war anfänglich groß. Aber wie es immer so ist, in den
letzten 12 Stunden vor Tourbeginn kommen die Absagen. Am Hauptbahnhof
traf sich zwar ein ordentlicher Mob, aber eben nicht der Mob, der
sich angekündigt hatte. Enttäuschend! Die Fahrt verlief immerhin
entspannt, der ein oder andere stieg noch zu, und knapp eine Stunde
später erreichten wir die düstere Mitte Schleswig-Holsteins. Wir
alle wissen ja, Gott erschuf im Zorn Neumünster und Elmshorn...
Schon am Bahnhof warteten die
Ordnungshüter, es wurden ihnen ja marodierende Banden und
Hooligan-Ströme angekündigt. Auch wenn die Zivilpolizei sehr
freundlich auftrat, ist es schon verwunderlich, dass heute mehr
Polizei als Fans auf der Matte standen. Natürlich ist so auch die
eigene Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt, sich mal eben
aufteilen und noch durch die Stadt bummeln, ist leider nur noch
selten möglich – zum Glück besteht da in Neumünster aber auch
wenig Bedarf und so mussten die Herren der Staatsmacht eben an
unserer Seite auf die zweite üppige Ladung Hamburger Menschenfresser
warten. Eine Stunde später trudelte auch der letzte Kaot ein und ein
imposanter Corteo durch graue Fassaden begann. Natürlich begleitet
von Polizeiwagen im Schritttempo. Die Welt war vor uns sicher.
Am Stadion angekommen wurden wir
bereits von den Fußballfreunden SH-Mitte mit der sinnfreien
Botschaft erwartet, dass der richtige Gästeblock heute nicht für
Gäste geöffnet werde. Warum der Verband jetzt so viel Wert auf
separate Gästeunterbringung gelegt hat, um sie dann im laufenden
Spielbetrieb wieder ad acta zu legen, weiß der Himmel! Oder sollten
da wirtschaftliche Erwägungen etwa über denen der Sicherheit
stehen?
Der Victoria-Haufen sollte nun in einem
kleinen abgeschirmten Eckblock abgestellt werden. Immerhin, es gab
sogar ein gammeliges Dixieklo, das sich nicht verriegeln ließ,
extrem schlechte Sicht und eine Rotte aufgerüsteter Polizisten
obendrauf. Natürlich, denn wir Victoria-Fan sind ja dafür bekannt,
dass wir einen Gästeblock nach dem anderen zerlegen. Verwüstung ist
unsere Visitenkarte.
Der ganze Spaß sollte dann auch noch
teuer Geld kosten – selbst Schiedsrichterkarten wurden zunächst
für ungültig erklärt. Der Unwille vieler Victorianer wuchs, heute
live im Stadion ein Fußballspiel zu schauen. Erst als Zivilpolizei
und Neumünsteraner Fanbetreuung uns entgegenkamen und die Polizei
aus unserem Block führten, waren die meisten bereit, doch den
happigen Eintritt zu zahlen und die wirklich sehr unfreundlichen und
sinnlos intensiven Eingangskontrollen über sich ergehen zu lassen.
Nachdem der Ordnungsdienst dann ca. 20 Tonnen TNT sichergestellt
hatte und auch der örtliche Sicherheitschef uns unsanft darauf
hinwies, dass wir hier ja nicht randalieren sollten, durften wir in
den Block. Man hielt es übrigens für eine Frechheit, dass wir
ernsthaft in Erwägung gezogen hatten, auf das Spiel zu verzichten.
Und ich dachte immer, das dürfen wir noch frei entscheiden...
Eine lustige Anekdote am Rande, zu dem
Sicherheitspersonal in NMS gehören doch tatsächlich Leute, die in
ihrer Freizeit schon mal bei uns vor der Stadiontür standen, um uns
erbärmlichen Ultraabklatsch mit Schlägen zu versehen. Ich erwähne
das, weil ich es doch sehr schizophren finde, wenn diese Typen dann
einen auf Security machen. Aber so doppelzüngig ist der Fußball
heute eben. Um das leidige Thema Ordnungsdienst nicht über alle
Maßen zu strapazieren, hier schnell das Fazit: Unangenehme
Behandlung, willkürliche Regeln, permanente Drohungen. Bitte nicht
wieder!
Die ersten Minuten vom Spiel haben wir
wegen der ganzen Querelen zu Beginn nur vage verfolgen können. Auch
der Support war geprägt von Frust, von Wut und der quälenden Frage,
wie Fußball unter diesen Umständen eigentlich noch Spaß machen
soll? Die erste halbe Stunde war einfach Müll. Alle Hände in die
Hosentasche und unmotiviert vor sich hinquakend.
Neben der grundsätzlichen Anspannung
sollte leider auch der Spielverlauf zur allgemeinen Tristesse
beitragen. Dabei hatten wir uns spielerisch sogar etwas ausgerechnet
beim Mitaufsteiger aus Schleswig-Holstein. Sicherlich war der VfR
hervorragend gestartet, doch alle Eindrücke, die wir bei bisherigen
Spielbesuchen sammeln konnten, wiesen den heutigen Gegner keinesfalls
als Schwergewicht der Liga aus. Ganz im Gegenteil.
Lediglich die Vicky-Aufstellung
bereitete Sorge. Musste sie aber eigentlich nicht, denn tatsächlich
war es sehr erfrischend bspw. Youngster Nils Brüning außen
marschieren zu sehen. Grundsätzlich war das auch alles gar nicht so
schlimm wie gegen Havelse, trotzdem natürlich der fade Beigeschmack
einer Niederlage in einem Spiel, das man eben nicht hätte verlieren
müssen. Besonders ärgerlich, dass wir schon wieder nach einer
dummen Standardsituation in Rückstand geraten sind. Und wie wir ja
langsam alle wissen, in der Regionalliga holt man Rückstande leider
nicht einfach mal so auf.
Trotzdem hatten der SCV Chancen, wenn
auch immer noch nicht wirklich zwingend. Gerade in Hälfte zwei war
der Ausgleich möglich, doch ohne richtige Sturmspitze wirkt das am
Strafraum alles viel zu kompliziert. Einfach mal schießen, Jungs!
Letztlich kam es natürlich, wie es
kommen musste und NMS konterte sich zum 2:0. Nicht unverdient, aber
auch nicht unabwendbar. Victoria also nun mit der roten Laterne.
Alles scheiße!
Supporttechnisch können wir zumindest
verlauten lassen, dass mit der Anbringung der Trommel an einem
Mülleimer und dem lobenswerten Engagement einiger weniger die ganze
Nummer zumindest noch so in Gang kam, dass wir uns nicht komplett in
Grund und Boden schämen müssen. Natürlich war es kein
ungezwungenes Freidrehen, doch unter den heutigen Umständen war das
auch einfach nicht möglich. Manchmal muss man eben auch Support
arbeiten. Heute war so ein Tag.
Die Rücktour ist dann recht
ereignislos erzählt. Keine Randale, keine Angriffe von
500-Mann-Nazi-Mobs, keine Verletzten und Toten. Die Polizeibegleitung
düste wieder im Schritttempo neben uns her, zumindest bis ein
Fahrradfahrer mit Handy am Ohr erspäht wurde und kurzzeitig
interessanter wurde. Bußgeld eintreiben. Yay! Mit Ankunft am Bahnhof
fuhr auch schon der Zug zurück in die schönste Stadt der Welt ein
und Nordkaos ist um ein Auswärtserlebnis reicher. Die Geschichte
endet hier, bis sie am Dienstag beim HSV weitergeht.