Sonntag, 23. September 2012

8. Spieltag: VfR Neumünster – SC Victoria 2:0 (1:0) (23.09.2012)

Regionalliga ist so ein Auf und Ab der Gefühle. Zugegeben, mit mehr Abs als Aufs. Sportlich geht nicht viel und gerade der Gesamtauftritt des SCV gegen Havelse war wirklich gespenstisch. Die Mannschaft absolut regionalliga-unwürdig, die Kurve lustlos und träge. Grundsätzlich herrscht zur Zeit ein gewisses Heimspielphlegma. Wieso sind wir jetzt plötzlich weniger als noch in der letzten Rückrunde? Sportlicher Frust, Heimspiel-Overload, zu wenig Reiz, wenn man stattdessen feuchtfröhlich auswärts fahren kann? Mag ja alles sein, aber unsere Punkte müssen wir immer noch an der Hoheluft holen und genau dort braucht die Mannschaft unsere Unterstützung. Hängt euch also rein, Leute!
Auch die Motivation zur Tour nach Neumünster war anfänglich groß. Aber wie es immer so ist, in den letzten 12 Stunden vor Tourbeginn kommen die Absagen. Am Hauptbahnhof traf sich zwar ein ordentlicher Mob, aber eben nicht der Mob, der sich angekündigt hatte. Enttäuschend! Die Fahrt verlief immerhin entspannt, der ein oder andere stieg noch zu, und knapp eine Stunde später erreichten wir die düstere Mitte Schleswig-Holsteins. Wir alle wissen ja, Gott erschuf im Zorn Neumünster und Elmshorn...
Schon am Bahnhof warteten die Ordnungshüter, es wurden ihnen ja marodierende Banden und Hooligan-Ströme angekündigt. Auch wenn die Zivilpolizei sehr freundlich auftrat, ist es schon verwunderlich, dass heute mehr Polizei als Fans auf der Matte standen. Natürlich ist so auch die eigene Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt, sich mal eben aufteilen und noch durch die Stadt bummeln, ist leider nur noch selten möglich – zum Glück besteht da in Neumünster aber auch wenig Bedarf und so mussten die Herren der Staatsmacht eben an unserer Seite auf die zweite üppige Ladung Hamburger Menschenfresser warten. Eine Stunde später trudelte auch der letzte Kaot ein und ein imposanter Corteo durch graue Fassaden begann. Natürlich begleitet von Polizeiwagen im Schritttempo. Die Welt war vor uns sicher.

Am Stadion angekommen wurden wir bereits von den Fußballfreunden SH-Mitte mit der sinnfreien Botschaft erwartet, dass der richtige Gästeblock heute nicht für Gäste geöffnet werde. Warum der Verband jetzt so viel Wert auf separate Gästeunterbringung gelegt hat, um sie dann im laufenden Spielbetrieb wieder ad acta zu legen, weiß der Himmel! Oder sollten da wirtschaftliche Erwägungen etwa über denen der Sicherheit stehen?
Der Victoria-Haufen sollte nun in einem kleinen abgeschirmten Eckblock abgestellt werden. Immerhin, es gab sogar ein gammeliges Dixieklo, das sich nicht verriegeln ließ, extrem schlechte Sicht und eine Rotte aufgerüsteter Polizisten obendrauf. Natürlich, denn wir Victoria-Fan sind ja dafür bekannt, dass wir einen Gästeblock nach dem anderen zerlegen. Verwüstung ist unsere Visitenkarte.

Der ganze Spaß sollte dann auch noch teuer Geld kosten – selbst Schiedsrichterkarten wurden zunächst für ungültig erklärt. Der Unwille vieler Victorianer wuchs, heute live im Stadion ein Fußballspiel zu schauen. Erst als Zivilpolizei und Neumünsteraner Fanbetreuung uns entgegenkamen und die Polizei aus unserem Block führten, waren die meisten bereit, doch den happigen Eintritt zu zahlen und die wirklich sehr unfreundlichen und sinnlos intensiven Eingangskontrollen über sich ergehen zu lassen. Nachdem der Ordnungsdienst dann ca. 20 Tonnen TNT sichergestellt hatte und auch der örtliche Sicherheitschef uns unsanft darauf hinwies, dass wir hier ja nicht randalieren sollten, durften wir in den Block. Man hielt es übrigens für eine Frechheit, dass wir ernsthaft in Erwägung gezogen hatten, auf das Spiel zu verzichten. Und ich dachte immer, das dürfen wir noch frei entscheiden...
Eine lustige Anekdote am Rande, zu dem Sicherheitspersonal in NMS gehören doch tatsächlich Leute, die in ihrer Freizeit schon mal bei uns vor der Stadiontür standen, um uns erbärmlichen Ultraabklatsch mit Schlägen zu versehen. Ich erwähne das, weil ich es doch sehr schizophren finde, wenn diese Typen dann einen auf Security machen. Aber so doppelzüngig ist der Fußball heute eben. Um das leidige Thema Ordnungsdienst nicht über alle Maßen zu strapazieren, hier schnell das Fazit: Unangenehme Behandlung, willkürliche Regeln, permanente Drohungen. Bitte nicht wieder!

Die ersten Minuten vom Spiel haben wir wegen der ganzen Querelen zu Beginn nur vage verfolgen können. Auch der Support war geprägt von Frust, von Wut und der quälenden Frage, wie Fußball unter diesen Umständen eigentlich noch Spaß machen soll? Die erste halbe Stunde war einfach Müll. Alle Hände in die Hosentasche und unmotiviert vor sich hinquakend.

Neben der grundsätzlichen Anspannung sollte leider auch der Spielverlauf zur allgemeinen Tristesse beitragen. Dabei hatten wir uns spielerisch sogar etwas ausgerechnet beim Mitaufsteiger aus Schleswig-Holstein. Sicherlich war der VfR hervorragend gestartet, doch alle Eindrücke, die wir bei bisherigen Spielbesuchen sammeln konnten, wiesen den heutigen Gegner keinesfalls als Schwergewicht der Liga aus. Ganz im Gegenteil.
Lediglich die Vicky-Aufstellung bereitete Sorge. Musste sie aber eigentlich nicht, denn tatsächlich war es sehr erfrischend bspw. Youngster Nils Brüning außen marschieren zu sehen. Grundsätzlich war das auch alles gar nicht so schlimm wie gegen Havelse, trotzdem natürlich der fade Beigeschmack einer Niederlage in einem Spiel, das man eben nicht hätte verlieren müssen. Besonders ärgerlich, dass wir schon wieder nach einer dummen Standardsituation in Rückstand geraten sind. Und wie wir ja langsam alle wissen, in der Regionalliga holt man Rückstande leider nicht einfach mal so auf.
Trotzdem hatten der SCV Chancen, wenn auch immer noch nicht wirklich zwingend. Gerade in Hälfte zwei war der Ausgleich möglich, doch ohne richtige Sturmspitze wirkt das am Strafraum alles viel zu kompliziert. Einfach mal schießen, Jungs!
Letztlich kam es natürlich, wie es kommen musste und NMS konterte sich zum 2:0. Nicht unverdient, aber auch nicht unabwendbar. Victoria also nun mit der roten Laterne. Alles scheiße!

Supporttechnisch können wir zumindest verlauten lassen, dass mit der Anbringung der Trommel an einem Mülleimer und dem lobenswerten Engagement einiger weniger die ganze Nummer zumindest noch so in Gang kam, dass wir uns nicht komplett in Grund und Boden schämen müssen. Natürlich war es kein ungezwungenes Freidrehen, doch unter den heutigen Umständen war das auch einfach nicht möglich. Manchmal muss man eben auch Support arbeiten. Heute war so ein Tag.

Die Rücktour ist dann recht ereignislos erzählt. Keine Randale, keine Angriffe von 500-Mann-Nazi-Mobs, keine Verletzten und Toten. Die Polizeibegleitung düste wieder im Schritttempo neben uns her, zumindest bis ein Fahrradfahrer mit Handy am Ohr erspäht wurde und kurzzeitig interessanter wurde. Bußgeld eintreiben. Yay! Mit Ankunft am Bahnhof fuhr auch schon der Zug zurück in die schönste Stadt der Welt ein und Nordkaos ist um ein Auswärtserlebnis reicher. Die Geschichte endet hier, bis sie am Dienstag beim HSV weitergeht.